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Geschichte der Klosterbrauereien

in Bayern

Ein kulturhistorischer Streifzug von Prof. Dr. Dr. Reinhard Heydenreuter

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Klosterbrauerei Bayern Mönch Urheber Grützner Eduard Theodor Ritter von wikimedia

Der Bier trinkende Mönch: Keiner hat dieses Motiv öfter gewählt als der Maler Eduard Ritter von Grützner.

Ein kulturhistorischer Streifzug
von Prof. Dr. Dr. Reinhard Heydenreuter

Mit dem Begriff Klosterbrauerei verbindet man meist die Vorstellung von Solidität und hoher Braukunst, aber auch ein gewisses Heimat- und Geborgenheitsgefühl. Wie wäre es sonst möglich, dass Bilder, die auf die klösterliche Braukunst verweisen, seit dem 19. Jahrhundert ein beliebter Wohnungsschmuck waren, und wie wäre es sonst möglich, dass der biertrinkende Mönch zu einer Werbeikone für Brauereien wurde? Klassische Berühmtheit hat hier der von dem vielbeschäftigten Plakatkünstler Ludwig Hohlwein 1935 geschaffene, bierselige Franziskanermönch erlangt, der seitdem für den Franziskanerbräu (heute Paulaner) den Bierkrug hebt. 

Die Klosterbrauereien sind aber auch ein Tummelplatz von Bier-Superlativen in Bezug auf Gründungsdaten, denn der Konsument verbindet Kloster beinahe automatisch mit hohem Alter. Weihenstephan, die angeblich „älteste Brauerei der Welt“, wirbt etwa mit der Jahreszahl 1040, obwohl die entsprechende Urkunde im 18. Jahrhundert gefälscht wurde. Dies schließt im Übrigen nicht aus, dass in Weihenstephan wirklich schon im 11. Jahrhundert gebraut wurde. Ob sich dann Weltenburg mit Fug und Recht als die älteste Klosterbrauerei Bayerns bezeichnen darf, sei dahingestellt, da alles an einer schriftlichen Überlieferung hängt, die angesichts der unruhigen Zeiten während des Investiturstreits oder während des 30-jährigen Krieges, wo manches Kloster- und Bistumsarchiv in Flammen aufging, eher zufällig ist.

Klosterbrauerei Bayern Mönch Bier Stern

Die älteste Darstellung eines Brauers um 1430. Oben sieht man den Bierstern, das Zunftzeichen der Brauer.

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Klosterplan St. Gallen stgallplan.org

Klosterplan St. Gallen von 830 mit 3 Räumen für die Bierherstellung (siehe rote Fläche)

Mönchsregel aus dem Jahr 600:
Wer Bier verschüttet, der wird bestraft

Unbestritten ist jedoch, dass alle frühen Nennungen von Bier, Hopfen, Malz und Brauerei vor dem Jahre 1000 ausschließlich in kirchlichen Quellen zu finden sind, was den Bierfreund natürlich zur Überzeugung führte, dass das Bierbrauen in den Klöstern erfunden worden ist. Schon in der Mönchsregel des Hl. Columban um 600 findet sich der merkwürdige Satz, dass derjenige Mönch, der Bier verschüttet, bestraft wird. Ganz umfangreich wird das Braugewerbe im berühmten Klosterplan von St. Gallen von 830 abgehandelt: In diesem Idealplan, der beim Neubau des Klosters St. Gallen um 830 von einem befreundeten, wahrscheinlich aus Italien stammenden Benediktiner an den damaligen Abt Gozbert geschickt, aber wegen seiner Überdimensionierung wohl aus finanziellen Gründen nicht beachtet wurde, sind gleich drei Räume der Bierherstellung gewidmet. In jedem der drei Räume sollte eine andere Biersorte gebraut werden: Es gab ein sehr stark eingebrautes Bier mit dem Namen Celia, das wohl nur für Gäste gebraut wurde, dann das normale Weizen- oder Gerstenbier, das wohl der Elite der Mönche vorbehalten war, und schließlich das Conventus-Bier, ein Dünnbier, das für die sonstigen Laienbrüder und die Armen gedacht war. 

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Ein „sextarius“ Bier
für jeden Mönch

Dass der Bedarf an Bier in den vornehmen Adelsklöstern und Kanonikerstiften des frühen Mittelalters enorm war, zeigen die Synode von Aachen 816 und 817, wo unter anderem die Wein- und Bierrationen für die Klosterinsassen festgelegt wurden. Jeder Mönch hatte Anspruch auf ein „sextarius“ Bier (0,55 Liter). Dabei ist allerdings zu beachten, dass fast alle Klöster Adelsklöster waren. Für Chorherren und Chorfrauen, die nicht in Klausur lebten und noch ihre Bediensteten versorgen mussten, waren die Rationen entsprechend höher. Die Synodalbeschlüsse machen zudem deutlich, dass Bier nur dort gebraut und konsumiert wurde, wo es keinen oder wenig Wein gab. 

Eichenfässer
Ein Mann mit Umhand steht neben seiner Krone
Augustiner und Benediktiner:
beten und brauen

Bayern war einst Teil des „Klösterreichs“, eines sich nach Österreich hinein erstreckenden Gebiets im Süden des Alten Reichs, in dem die bis ins hohe Mittelalter zurückreichenden Ordensniederlassungen dem gesamten Leben ihren Stempel aufdrückten – bis zu jenem jähen Umbruch von 1803, der Bayern vorübergehend zu einem Land ohne Klöster machte. Unter den vielen Orden der katholischen Kirche wurde für Altbayern der Benediktinerorden der wichtigste. Bayern war eine „terra benedictina“ – und ist es bis heute geblieben, da nach der Säkularisation von 1803 und der von „aufgeklärten“ Freimaurern vom Typ des Ministers Montgelas verursachten Ausplünderung der Klöster letztlich König Ludwig I. das Steuer herumwarf und einige Klöster wiederherstellen ließ. Davon profitierten vor allem die Benediktiner, die mit dem Haus Wittelsbach seit jeher eng verbunden waren. Denken wir nur an Scheyern, das als Wittelsbacher Hauskloster 1077 zunächst in Bayrischzell begründet und dann 1119 in Scheyern weitergeführt wurde. Nach der Säkularisation wurde es 1838 demonstrativ von König Ludwig I. neu errichtet. Ganz selbstverständlich haben die Wittelsbacher auch eines der ältesten Benediktinerklöster Bayerns, nämlich Weltenburg, als eine Art Wittelsbacher Gründung betrachtet, da man den 788 abgesetzten Herzog Tassilo III., der Weltenburg begründet haben soll, selbstverständlich in die Ahnenreihe des Hauses Wittelsbach eingereiht hat. So verwundert es nicht, dass auch dieses Kloster 1842 mit Hilfe von König Ludwig I. neu errichtet wurde. 

Ihm ist es zu verdanken, dass einige Klösterwiederbelebt wurden: König Ludwig I.

Söhne von Brauern
als Novizen äußerst willkommen

Angesichts dieser bis ins 19. Jahrhundert reichenden Dominanz des Benediktinerordens wird ganz vergessen, dass ein zweiter Orden, an dem die Klosterrestitution im Königreich Bayern völlig vorbeiging, für die Geschichte Bayerns von fast gleichrangiger Bedeutung war: der Augustiner-Chorherren-Orden. Im Unterschied zu den Benediktinern widmeten sich die Augustiner-Chorherren mehr der Messfeier und der Seelsorge. Ungeachtet dessen pflegten auch sie mit großer Aufmerksamkeit die weltliche Wirtschaft und damit auch das Brauwesen. Das von den Augustiner-Chorherren gebraute Bier tranken die Mitglieder des Ordens  und ihre zahlreichen Bediensteten nicht nur selbst, sondern sie belieferten damit auch ihre Hofmarksuntertanen und die von ihnen betreuten Pfarreien. Gerade die Augustiner-Chorherren waren für ihre Braukunst bekannt, was wohl auch damit zusammenhängt, dass sie ihre Novizen vor allem aus dem Handwerker- und Bürgerstand rekrutierten, bevorzugt auch Gastwirts- und Brauersöhne. Denen lag das Brauen schon im Blut, und sie konnten immer mit der „logistischen Brauhilfe“ ihrer Verwandtschaft rechnen. 

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Die Mitglieder der bayerischen Klöster, denen auch rechtsprechende Gewalt zuteil war, kamen also nicht, wie man früher fälschlicherweise angenommen hatte, vorwiegend aus dem Bauernstand, sondern aus der gehobenen Bürger- und Handwerksschicht der Städte und Märkte. Überdurchschnittlich häufig finden sich dabei Söhne von Brauern und Gastwirten, also von Gewerben, die unangefochten zu den reichsten im Lande gehörten. Diese Bevorzugung vermögender Bürger hängt damit zusammen, dass diese Klöster sehr wohl darauf achteten, dass der jeweilige Novize eine beachtliche „Mitgift“ mitbrachte. Eine Mitgift eines Gastwirtssohnes in Höhe von 2000 Gulden war keine Seltenheit. Damit konnte man schon ein gewaltiges Gebäude errichten. Die großen Barockbauten der bayerischen Klöster sind also nicht nur aus den Erträgen der jeweiligen Klöster finanziert worden, sondern es steckt hier auch das Geld vieler Brauer- und Gastwirtsfamilien dahinter. 

Kreuz
drei Männer sitzen am Tisch und lachen
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Die Klosterbrauereien jedenfalls waren für die Wirtschaftseinheit Kloster ein wichtiger, ja vielfach der wichtigste Einnahmefaktor. Das hing vor allem mit der zunehmenden Bedeutung des Biers zusammen, das den Wein als bevorzugtes Getränk verdrängte. Ursache dafür war zum einen der Klimawandel seit Ende des 16. Jahrhunderts, der den Weinanbau in Ober- und Niederbayern bis auf kleine Gebiete um die Donau schrumpfen ließ. Der Rückgang des Weinkonsums und der Siegeszug des Biers hingen aber auch mit der verbesserten Brautechnik und nicht zuletzt mit der drastisch erhöhten Besteuerung des Importweins zusammen. Die Menschen änderten also nicht zuletzt auch aufgrund des Steuerdrucks ihre Trinkgewohnheiten. Als deshalb nach dem 30-jährigen Krieg das Braunbier das Standardgetränk der Bevölkerung wurde, steigerte sich die Bedeutung der Klosterbrauereien und vor allem der Klostertavernen, in denen das Bier ausgeschänkt wurde. Manche Klosterbrauereien wie etwa jene in Aldersbach brachte es in diesen Tagen auf einen Bierausstoß von bis zu 5000 Hektoliter jährlich. Zum Vergleich: Der Durchschnitt des Bierausstoßes der bayerischen Brauereien gegen Ende des 18. Jahrhunderts lag bei 800 Hektolitern.

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Nach Eiszeit und Steuerdruck
boomt das Bier

Was die Bierherstellung betraf, so besaßen die Klosterbrauereien im Vergleich zu ihren bürgerlichen Konkurrenten in den Städten und Märkten, aber auch im Vergleich zu den adeligen Brauereien erhebliche Standortvorteile: sie verfügten über enorme landwirtschaftliche Kapazitäten, insbesondere über die Gerste, den Hopfen und das Brennholz, das man zum Biersieden brauchte. All das musste sich die bürgerliche Konkurrenz erst auf dem Land kaufen – und zwar nicht zuletzt bei ihren klösterlichen Konkurrenten, denn die Geistlichkeit verfügte immerhin über die Mehrheit des Grundbesitzes. 

Männer brauen
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Drei Männer stoßen mit Bier an
Konkurrenz verboten:
das Biermonopol der Klöster

Im Jahr 1803 kam dann mit der Säkularisation das jähe Ende für die Klosterbrauereien, von denen es damals etwa 300 auf dem Gebiet des heutigen Bayern gab. Mit der von dem aufklärerischen Minister Maximilian von Montgelas maßgeblich vorangetriebenen Übertragung von kirchlichem Besitz auf den Staat sollte der Einfluss der Orden zurückgedrängt und zugleich ein Beitrag zur Sanierung der maroden Staatsfinanzen gleistet werden. Die Zertrümmerung der klösterlichen Wirtschaftsbetriebe und deren Verwertung brachte aber bei weitem nicht das Ergebnis, das sich die Betreiber angesichts der immens gewachsenen Staatsschulden des bankrotten Bayern erwarteten. Man konnte den Kredit gebenden Banken, auf deren Druck hin nicht zuletzt die Klostersäkularisation erfolgt war, aus den unmittelbar erzielten Erlösen mit Not eine Zinsrate bezahlen. Die Kreditwürdigkeit Bayerns war so nicht hergestellt, die Säkularisation deshalb im Grunde eine sinnlose Vernichtung von Wirtschaftskraft. 

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Betrachtet man die in den Jahren danach vereinzelt auftretende Wiederbegründung des Brauwesens in den Klöstern, dann fällt auf, dass die Brauerei in Kreuzberg als einzige von der Verstaatlichung der klösterlichen Besitztümer überhaupt nicht betroffen war, so dass die dort tätigen Franziskaner seit 1731 ununterbrochen Bier brauen konnten. Ebenfalls keine Zwangspause gab es im mittelfränkischen Weißenohe: Hier hat im Jahr 1803 der vormals klösterliche Braumeister die Brauerei ganz einfach erworben, ehe er sie 1827 an die Familie Kraus verkaufte, die den Betrieb mittlerweile in der fünften Generation führt. Nur eine kurze Zäsur gab es im niederbayerischen Aldersbach: Dort erwarb Freiherr Johann Adam von Aretin 1811 die Klosteranlage mitsamt der Brauerei, die bis heute in Familienbesitz ist. Im Gegensatz dazu dauerte es im südostbayerischen Baumburg genau sieben Jahrzehnte, bis die Familie Dietl die Klosterbrauerei wieder in Betrieb nahm. König Ludwig I. haben schließlich die Klosterbrauereien in Scheyern und Weltenburg zu verdanken, dass sie schon bald nach der Säkularisation wieder Bier brauen durften. Nachdem er Scheyern 1838 wieder als Benediktinerkloster errichten ließ, wurden dort umgehend auch wieder die Sudkessel befüllt – vier Jahre später vollzog Ludwig I. den gleichen Schritt auch in Weltenburg.

Männer sitzen an der Bar
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Das Sterben der klösterlichen
Bräuhäuser setzt schon 1773 ein

Spricht man heute von einer Klosterbrauerei, so handelt es sich dabei um eine Bezeichnung, die in Bayern heute nur noch 14 Brauereien für sich in Anspruch nehmen dürfen. Denn inzwischen haben die Gerichte klar definiert, dass nicht jede beliebige Brauerei den Begriff „Kloster“ oder einen anderen religiösen Begriff verwenden darf. 1997 verbot beispielsweise das Oberlandesgericht Hamburg unter Verweis auf § 3 des

Gesetzes über den unlauteren Wettbewerb einer neu errichteten Brauerei in Dargun in Mecklenburg-Vorpommern die Führung des Namens „Darguner Klosterbräu“: Es fehlte, so das Gericht, jede Beziehung zu einem Kloster. Zwar gab es im Mittelalter einmal kurzzeitig ein Kloster in Dargun, um sich aber „Klosterbräu“ nennen zu dürfen, sei der Nachweis einer ungebrochenen Traditionslinie erforderlich, was bei einer Neugründung nicht der Fall sei. 

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Staatliche Führung wird zum
riesigen Verlustgeschäft

Ein Viertel der Brauhäuser, soweit sie nicht geschlossen wurden (was im Übrigen sehr im Interesse der bürgerlichen Konkurrenz lag), wurden von Adeligen gepachtet oder gekauft. Bei Erwerb der gesamten Klosterimmobilie war die Brauerei und deren Einrichtung

dann Teil des Gesamtgeschäfts. Die Übernahme einer Brauerei war für den Adel deswegen interessant, weil der vergleichsweise

lukrative Betrieb einer Brauerei (soweit nur Bedienstete und ein Braumeister Hand anlegten) nicht als Handwerk galt und daher

nicht nach dem Adelsedikt von 1808 zum Verlust von Vorrechten führte. Schon im 16. und 17. Jahrhundert hatte der bayerische Adel auf seinen Hofmarken zahlreiche Brauhäuser errichtet. Da dies vielfach ohne Bewilligung durch den Landesherrn geschah, ließ der erboste Kurfürst Maximilian 1640 eine Braumatrikel anfertigen, in der die legalen Brauhäuser einzutragen waren. Das verhinderte allerdings nicht die weitere illegale Errichtung von adeligen Brauhäusern. Diejenigen klösterlichen Braustätten, die der bayerische Staat als rentabel erachtete, übernahm er nach der Säkularisation in Eigenregie, so etwa den Ettaler Großbetrieb. Sie wurden ab 1804 zusammen mit den kurfürstlichen Brauhäusern (unter denen die Weißbierbrauhäuser die rentabelsten waren) der neu gegründeten „Bräuwesensadministration“ unterstellt. Doch die ehemaligen Klosterbrauereien unter staatlicher Leitung erwiesen sich sehr bald als defizitär und wurden daher abgestoßen. Zuletzt wurde Ettal 1809 privatisiert.

Antiquitäten
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Klosterbrauereien als Motoren der frühindustriellen Entwicklung in Bayern

Es war dieser Verkauf der Klosterbrauereien, der dem bayerischen Brauereigewerbe den entscheidenden Anstoß gab und der nicht

zuletzt auch zur europäischen Dominanz der bayerischen Brauer Ende des 19. Jahrhunderts führte. Die Aufhebung des Bierzwangs,

die Malzaufschlagsregelung von 1806, das Biersatzregulativ von 1811 und die fast automatische Verleihung von Braugerechtigkeiten bei den zum Verkauf anstehenden Klosterbrauereien führten fast zu einer Art Gewerbefreiheit in diesem Bereich.  Riesige Geldsummen wurden investiert, alleine für 1824 rechnete man eine Gesamtanlage von 100 Millionen Gulden in diesem Wirtschaftszweig aus, mehr als in jedem anderen Bereich.  Da die Einnahmen aus dem Malzaufschlag fast ein Viertel der Staatseinnahmen deckten, förderte man von Staats wegen diese Entwicklung des Braugewerbes mit einer Großzügigkeit, die es in anderen Bereichen, wo noch engster Zunftzwang herrschte, nicht gab. Und unter den Unternehmern, die sich in diesem Bereich engagierten, waren viele, die ihre Arbeit in Klosterbrauereien begannen. Viele von ihnen beteiligten sich auch, neben dem Adel und dem auf Kapitalanlage erpichten Bürgertum, am Aufkauf der Klosterbrauereien. Im Unterschied zu allen anderen versteigerten Rechten, Mobilien und Immobilien aus der Säkularisationsmasse erzielten Klosterbrauereien Erlöse, die in der Regel über dem Schätzwert waren. Ein Zeichen dafür, dass Unternehmer und Spekulanten im Brauereibereich hervorragende Entwicklungsmöglichkeiten sahen. Tatsächlich konnten einige der neuen Brauherren mit ihrem Betrieb gewaltig expandieren und immense Gewinne einfahren. Das Geschäft mit dem Bier florierte, so dass diese Branche immer bedeutender wurde, auch und gerade für die Modernisierung und Technisierung der gesamten bayerischen Wirtschaft. Deshalb gehören die Klosterbrauereien selbst nach ihrem Ende mit zu den Auslösern der frühindustriellen Entwicklung in Bayern.

Statue auf einem Steingebäude
Nachweis einer
Traditionslinie erforderlich

Noch ein Wort zu den Klosterbrauereien, die wieder zu echten Klosterbrauereien wurden: Im Zusammenhang mit der Kloster-restitution kam es auch zur Einrichtung oder Übernahme von Brauhäusern unter der Regie der wiederhergestellten Klöster. Diese

wurden von der inzwischen gut entwickelten bürgerlichen und adeligen Konkurrenz misstrauisch beäugt. Auch die Klosteroberen

sahen, wie bei den Franziskanern, die sich neu entwickelnde wirtschaftliche Tätigkeit im Bereich des Brauwesens mit einer gewissen geistlichen Sorge. Daher wurde Ende des 19. Jahrhunderts den Franziskanerklöstern von ihrer geistlichen Leitung der Betrieb von Brauhäusern untersagt. Nur die Franziskaner von Kreuzberg in der Rhön durften – bis heute – weiter brauen. Zum Abschluss noch ein juristischer Exkurs: Der Begriff „Klosterbräu“ ist, wie schon zu

Anfang ausgeführt, für den Verbraucher ein Qualitätsmerkmal. Das hat auch Auswirkungen auf das aktuelle Wettbewerbsrecht, das dafür sorgt, dass der Verbraucher nicht durch falsche Angaben getäuscht wird. So haben die Gerichte inzwischen klar gestellt, dass nicht jede beliebige Brauerei den Begriff „Kloster“ oder einen anderen religiösen Begriff verwenden darf. 1997 verbot beispielsweise das Oberlandesgericht Hamburg auf die Klage der Klöster Ettal und Andechs hin unter Verweis auf § 3 des  Gesetzes über den unlauteren Wettbewerb einer neu errichteten Brauerei in Dargun in Mecklenburg-Vorpommern die Führung des Namens „Darguner Klosterbräu“: Es fehlte, so das Gericht, jede Beziehung zu einer Kloster. Zwar gab es im Mittelalter einmal kurzzeitig ein Kloster in Dargun, um sich aber „Klosterbräu“ nennen zu dürfen, sei der Nachweis einer ungebrochenen Traditionslinie erforderlich, was bei einer Neugründung nicht der Fall sei.

Hanseatisches Oberlandesgericht Hamburg
Männer sitzen am Tisch und machen Musik
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Das Familienheil
mit täglichem Gebet sichern

Fassen wir zusammen und lassen wir unsere Gedanken noch einmal über das bayerische „Klösterreich“ schweifen: Klöster sind Einrichtungen, die zwischen Himmel und Erde vermitteln wollen. Sie stellen eine geniale Verbindung zwischen verinnerlichtem Glauben und einer perfekten Lebensorganisation dar. Diese Lebensorganisation ist nichts anderes als das, was wir heute als juristische Person bezeichnen, eine genossenschaftliche Organisation von Gleichberechtigten, die ein gemeinsames Ziel verfolgt. Diese Gemeinschaft ist auf Dauer angelegt, ist mehr als der Einzelne, der ihr angehört: Sie ist sowohl als weltliche als auch als geistliche Organisation auf die Ewigkeit ausgerichtet. Adelige Familien, wie etwa die Wittelsbacher, sicherten sich die Klöster, um über den Tod

des einzelnen Familienmitglieds hinaus den „splendor familiae“ zu erhalten. Durch das tägliche Gebet der Klosterinsassen sollten 

nach dem Willen der um ihr Seelenheil bangenden Klosterstifter das Heil der Familie, aber auch jenes von Volk und Reich gesichert

werden. Dafür benötigte man bestes Personal, keine

lebensuntauglichen, nur dem Gebet hingegebene, schwache Menschen, sondern tatkräftige Erfüller des apostolischen

Auftrags, vielfach auch hochrangige Mitglieder der Stifterfamilien.

So verwundert es nicht, dass auch im materiellen Bereich die Klöster seit dem Mittelalter zum Kristallisationspunkt aller menschlichen

geistigen und körperlichen Fähigkeiten ihrer Zeit wurden. Das bedeutete aber auch, dass Klöster auch Zellen der irdischen Welt waren und dass man sich mit dieser irdischen Welt arrangieren musste. Vielfach überließ man den Schutz des Klosters einem adeligen Vogt, der aber nicht frei war von den schlimmsten Todsünden, vom Neid (invidia) und dem Hochmut (superbia). Gegen den Zugriff fremder Mächte oder der eigenen Vögte schützten sich die Klöster durch Schriftlichkeit: Sie schrieben sorgfältig auf, was man ihnen

geschenkt hatte, um Beweise bei Übergriffen Dritter zu haben. Diese Schreibfähigkeit und ihre Bücherkenntnis brachte den Klöstern

einen ungeheuren Wissensvorsprung, der natürlich auch weltlichen Künsten zugute kam – und dazu gehörte auch das Bierbrauen.

Ein Mann ließt die Bibel

Diese Kombination von weltlichen und geistlichen Fähigkeiten, dieses Nebeneinander von solidem Wissen und spiritueller Heilsvermittlung machten die Klöster auch zu wirtschaftlich erfolgreichen Orten. Ihre Produkte wurden auch in den neu entstehenden Städten und Märkten erfolgreich verkauft. Wichtig war es aber auch, das Kloster als Ort

des Heils für auswärtige Pilger attraktiv zu machen. Dies geschah vor allem durch Reliquien, welche die Pilger anlockten, die sich Heilung von Krankheiten, Kindersegen oder ewige Seligkeit erhofften. Pilger hatten Sonderprivilegien, aber nicht jeder der seit dem 12. Jahrhundert verstärkt umherwandernden Pilger hatte die ewige Seligkeit im Kopf. Die Bedürfnisse dieser gigantisch anwachsenden Wanderungen befriedigten die Kloster durch die Anhäufung von

heilkräftigen Reliquien und durch eine glänzend organisierte Pilgerversorgung. Das Kloster Scheyern erhielt seine wundertätige

Kreuzreliquie um 1200 von einem Grafen, der ins Heilige Land gepilgert war. Durch seine Schenkung förderte er nicht nur das Seelenheil der Wittelsbacher, sondern sicherte auch das wirtschaftliche Überleben des Klosters. Die Wallfahrt zur Scheyerner Kreuzreliquie war für die Wirtschaft des Kloster bis in die Neuzeit von allergrößter Bedeutung, da sie wie auch die mit ihr in Berührung gebrachten Kreuze oder Papiere als bester Gegenzauber gegen Hexerei galten. Daher war man in Scheyern wenig erfreut, als im 18. Jahrhundert an der Bayerischen Akademie der Wissenschaften die Hexerei als Aberglaube verunglimpft wurde. Man führte deshalb gegen die Freimaurer und Verkünder der neuen Lehre in München einen erbitterten Kampf, schließlich waren die Pilger ein wichtiger Wirtschaftsfaktor für Brauerei und Wirtschaft des Kloster. Die Bedeutung der ernsthaften und weniger ernsthaften Pilger für den Bierumsatz bis heute wird deutlich, wenn man sich die gefüllten Biergärten auf dem Kreuzberg in der Rhön ansieht.

Pastor
Drei Männer sitzen am Tisch und trinknen Bier
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Das körperliche und geistige
Wohl im Sinn

Es geht daher dem Freund des Klosterbiers nicht anders als dem verständigen Weintrinker, der um Herkunft, Lage und Jahrgang

weiß: es schwingt immer eine magische historische Dimension mit. Daher ist auch der dem mönchischen Leben entlehnte lateinische Wunsch „prosit“ oder bayerisch verkürzt „Prost“ (also: „möge es nützen“), von doppelter Bedeutung – er meint das geistige und das körperliche Wohl.

Alleine deshalb sind die bayerischen Klosterbrauereien ganz besondere Orte, in denen die geistliche Geschichte wach gehalten und seit Jahrhunderten eine einzigartige Brautradition gepflegt wird.
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